10. März 2017

Ganz offen: Ich halte nichts vom Fasten. Nicht nur, weil ich gerne esse und trinke, sondern weil Jesus und das ganze Neue Testament –vorsichtig gesagt - nicht viel davon halten.
Wenn man bedenkt, wie wichtig allen Religionen zu allen Zeiten die Fragen nach „Speisegeboten“ und „Fasten“, nach „Rein und Unrein“ waren, ist es eigentlich erstaunlich, wie wenig sich die Schriften des Neuen Testaments um diese Fragen kümmern.
Wenn es im Neuen Testament um das Fasten geht, sehen wir bei Jesus vor allem eine kritische Haltung. Er wird zur Rede gestellt, weil seine Jünger nicht fasten wie die Jünger von Johannes dem Täufer (Markus 2,18). Und Jesus selbst wird ein Fresser und Weinsäufer genannt. Sicher ist dieser Vorwurf ein Reflex auf die Tatsache, dass auch Jesus sich nicht an die Fastengebote, die im Judentum seiner Zeit galten, gehalten hat. (Matthäus 11,19)
Die Apostelgeschichte zeigt in einer drastischen Geschichte (Kapitel 10), dass nicht die jüdischen Speisegebote und die Regeln für „rein und unrein“ die Christen binden, sondern allein das Wort Gottes.
Und Paulus geht soweit, dass er den Christen sagt: Ihr könnt sogar das Opferfleisch essen, dass anderen Göttern geweiht wurde. Ihr verunreinigt euch damit nicht. (1. Korintherbrief, 8)
Warum das? War das nur Spaß an der Provokation, wenn Jesus und seine Jünger die Fastenregeln nicht einhielten?
Die Sache liegt tiefer und hat mit dem innersten Kern des Evangeliums zu tun:
Alle Religionen wissen darum, dass der Mensch, so wie er ist, eigentlich nicht vor Gott treten kann. Jeder weiß von sich: Ich bin nicht so, wie Gott mich will.
Deshalb bemühen sich alle Religionen zu allen Zeiten darum, Handlungen zu finden, die den Menschen „rein“ machen. Wie geht das? Die Religionen antworten in einer fast unübersehbaren Vielfalt: Indem man Opfer bringt, Indem man sich in Heiligem Wasser reinigt, indem man gute Werke tut oder indem man fastet.
Aber der Grundgedanke ist immer derselbe: Ich muss etwas tun, damit ich rein werde, damit ich vor Gott treten kann.

Das Evangelium sagt nun gerade das Gegenteil.
Erstens: Du kannst gar nichts tun, damit du rein wirst und
Zweitens: Du musst nichts tun, damit du rein wirst,
Du kannst zu Gott kommen, so wie du bist, und Gott selbst macht dich rein.
Nicht ich muss mich Gott genehm machen, sondern er macht es, indem er sich mir in Liebe zuwendet.
Die Kirche hat auf ihrem Weg durch die Geschichte nicht lange gebraucht, da hatte sie wieder Fastenregeln und Speisegebote wie jede „ordentliche“ Religion.
Und deshalb haben die Reformatoren auch ziemlich leidenschaftlich gegen das Fasten gewettert. Der Reformator Zwingli hat einmal in Zürich demonstrativ in der Fastenzeit zu einem öffentlichen Würste-Essen geladen!
Wenn es heute - vielleicht mehr denn je - darum geht, das Wesentliche und den Kern des Evangeliums zur Sprache zu bringen, dann sollten wir das hervorheben, was uns unterscheidet: Christen brauchen nicht fasten.
Also, wer unbedingt mal fasten will, mag das tun – wenn es ihm gut tut und wenn er es nicht von anderen verlangt. Aber er sollte sich bewusst sein: Mit Evangelium und Glaube hat das nichts zu tun.

Ulrike und Eberhard Stock