7. März 2017

Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht, damit du dich nicht vor den Leuten zeigst mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, der im Verborgenen ist. (Matthäus 6,17)
Wir fasten nicht! Wir schaffen es einfach nicht 6 Wochen lang auf Fernsehen, Schokolade, Alkohol oder sonst etwas Leckeres zu verzichten. So ging es auch den Mönchen von Maulbronn, gut sie hatten damals noch keinen Fernseher aber dafür strenge Ordensregeln. Wie sie diese umgingen und dadurch die Maultaschen, die "Herrgottsbscheisserle" erfanden schreibt Pfarrer Michael Stollwerk aus Wetter.

Es gibt sie in unzähligen Varianten, gefüllt mit Speck, Hackfleisch und Spinat, mit Zwiebeln, Eiern und Bratwurstbrät, oder auch mit Wachteln, Morcheln sowie diversen edlen Gewürzen. Die Rede ist hier von der "Maultasche", jener äußerlich so unscheinbaren schwäbischen Spezialität, die wegen ihrer delikaten Füllungen inzwischen auch außerhalb Südwestdeutschlands viele Anhänger hat. Erfunden haben diese Köstlichkeit angeblich die Mönche des berühmten Zisterzienserklosters Maulbronn. Zumindest wird dies dort behauptet. Am Anfang stand ein geistliches Dilemma. Die Mönche sahen sich hin und her gerissen zwischen ihrer strengen Ordensregel, die eine fleischlose Ernährung vorgab, und der Sehnsucht, wenigstens hin und wieder auch deftigeren Genüssen zusprechen zu dürfen. Auf die Fantasie der Köche des Klosters wirkte diese Not offenbar beflügelnd. Schnell war eine Lösung gefunden. Sie hackten die Objekte mönchischer Sehnsucht bis zur Unkenntlichkeit klein und umwickelten sie dann mit einer schlichten Teigmasse - die Urform der Maultasche war geboren. Auf die nähere Umgebung des Klosters wirkte diese eigenwillige Auslegung der Ordensregel allerdings wenig überzeugend. "Herrgottsbscheisserle" nannte und nennt man die schwäbische Nudel mancherorts bis heute. Abgesehen von ihren Folgen für die lokale Küche zeigt die kulinarische Selbsttäuschung der Zisterzienser von Maulbronn etwas Typisches. Denn es geschieht nach wie vor oft, dass Christen sich in der Meinung, Gott damit einen Gefallen zu tun, einen bestimmten Verzicht auferlegen, nur um diesen dann wieder möglichst geschickt zu umschiffen. Fasten macht jedoch nur dann Sinn, wenn ich ein geistliches Ziel damit verfolge und den damit verbundenen Verzicht auch ungeteilten Herzens bejahen kann. Alles andere erweist sich früher oder später als Krampf oder "Herrgottsbscheisserle". Wie beruhigend ist es da zu wissen, dass Gott, wie die schwäbische Maultasche zeigt, unter Umständen sogar unseren geistlichen Krampf in ein wohlschmeckendes Lob seiner Herrlichkeit verwandeln kann. Denn sie ist zweifellos eine Köstlichkeit, egal was drin steckt, ob Fleisch oder Gemüse. Gott muss den Brüdern von Maulbronn ihre Spitzbübigkeit wohl vergeben haben. Anders ist der Siegeszug der Maultasche nicht zu erklären.

von Gisela und Helmut Schmidt