Kirche Rachelshausen

Die Rachelshäuser Kirche wurde 1626/1627 erbaut und zeigt eine für das hessische Hinterland ungewöhnlichen Bauweise. Sie wurde zuletzt 1998 renoviert. In ihr findet alle zwei Wochen ein Gottesdienst statt (siehe Veranstaltungen).

Die Fachwerkkirche - Ein baugeschichtliches Juwel des Hinterlandes

Wenn man in Marburg oder in der Gegend des Marburger und Biedenköpfer Landes den Leuten, mit denen man gerade zu tun hat, sagt, dass man aus Rachelshausen kommt, dann hört man nicht selten die Entgegnung: „Ach, ist das nicht das Dorf mit der wunderschönen Fachwerkkirche?".

Die Rachelshäuser Kirche ist weithin bekannt, und man wundert sich manchmal, wieweit die Kunde gedrungen ist Sicher wird einer der Gründe sein, dass nicht wenige Wanderführer auf dieses Kleinod hinweisen, aber abgesehen davon kommt wohl auch keiner, der sich ein wenig für die Fachwerkkirchen in Hessen interessiert, daran vorbei, sich die Rachelshäuser Kirche einmal anzusehen.
Diese kleine Kapelle ist nämlich nicht nur ausnehmend schön, sondern sie ist darüber hinaus in verschiedenen Hinsichten eine ausgesprochene kunstgeschichtliche Besonderheit. So ist das Fachwerk dieser Kirche in der ganzen Gegend einzig in seiner Art. Während man bei anderen Kirchen, z.B. Frohnhausen und Runzhausen, ,Verwandtschaftsbeziehungen' feststellen kann, was das Aussehen und die handwerkliche Verarbeitung betrifft, steht die Rachelshäuser Kirche ganz eigen und unverwechselbar da. Mit ihren reichen und in handwerklicher Meisterschaft ausgeführten Verzierungen stellt sie eines der schönsten Beispiele für die Fachwerkkapellen des Barock in ganz Hessen dar. Und für die engere Umgebung wird im Bildband Fachwerkkirchen in Hessen"¹ mit Recht festgestellt: „In dieser Art steht der Bau von 1680 völlig vereinzelt in der Kirchenlandschaft des Marburger Hinterlandes."²

Jedoch nicht nur was das Äußere betrifft ist die Rachelshäuser Kirche ungewöhnlich, auch für den Innenraum ist noch eine kleine Besonderheit zu erwähnen: Gewöhnlich wurden die Emporen der Fachwerkkirchen nur jeweils seitlich vom Altar oder aber gegenüber dem Altar gebaut. Anders in Rachelshausen, hier läuft die Empore auf allen vier Seiten rund um den gesamten Kirchenraum.
Wie es dazu kam, dass gerade die Rachelshäuser, deren Spitzname im Gladenbacher Land „die Lumpeleute"³ war, was ja sicherlich auf die Armut der Rachelshäuser anspielte, eine so wunderschöne und sicher auch teure Kirche erhielten, wird sich wohl nicht mehr klären lassen. Ebenso wird es nicht mehr zu klären sein, warum gerade diese Kirche im fränkischen Stil⁴ erbaut wurde. Wie dem auch sei, die Kirche ist etwas Besonderes — und die Rachelshäuser wussten das wohl auch.
Jedenfalls gab es immer Bürger, die sich für die Kirche eingesetzt haben, und denen wir es heute zu verdanken haben, dass dieses Gebäude jetzt so schmuck und gepflegt dasteht. Denn während in den dreißiger Jahren in so manchem Dorf die Fachwerkkirche langsam und weitgehend unbeachtet verfiel, machte man sich in Rachelshausen daran, die arg heruntergekommene Kirche wieder aufzubauen. Und während man in den sechziger Jahren, In denen man so gerne alles Alte abreißen und dann alles neu machen wollte, andernorts darüber beriet, ob man die alte Dorfkirche nicht zur Schaffung von Parkplätzen abreißen sollte, machte man sich in Rachelshausen ohne viele Worte daran, die gute alte Kirche zu renovieren.
Allein dieser Sachverhalt macht deutlich, dass die Rachelshäuser eine ganz besondere Beziehung zu ihrer Kirche haben. So war es denn auch naheliegend, dass man zuerst an die Kirche dachte, als es darum ging, ein Wappen für die Gemeinde Rachelshausen zu entwerfen. Und tatsächlich wurde nach langen Überlegungen und Beratungen für das Wappen eine der Figuren aus dem Fachwerk der Kirche verwendet. In exaktem Amtsdeutsch wird das Wappen, das 1962 genehmigt wurde, folgendermaßen beschrieben: „In Weiß ein geschwungenes rotes Fachwerkschrägkreuz, dessen vier Zwickel mit je vier Herzfiguren besetzt sind."⁵ Die Rachelshäuser erhielten so ein Wappen, dass,,... eine originelle, ganz auf die Gemeinde zugeschnittene heraldisch eigenständige Lösung [darstellt] ..."⁶ , wie anerkennend hervorgehoben wurde.

Was war vor der Kirche?

Obwohl die heutige Kirche eigentlich ein ganz stolzes Alter hat, beginnt nicht erst mit ihr die Geschichte der Sakralgebäude in Rachelshausen. Alte Karten des Ortes weisen uns darauf hin, dass vor der jetzigen Kirche bereits eine Kapelle in Rachelshausen gestanden hat und zwar auf dem heutigen Grundstück Klingelhöfer in der Nähe des Wiegehäuschens. Der Hausname „Kirche" bewahrt diese Erinnerung. Allerdings ist über diese alte Kapelle nichts Näheres in Erfahrung zu bringen. Weder ist bekannt, warum diese Kapelle abgerissen wurde, noch ist bekannt, wie sie ausgesehen hat. Man darf vielleicht vermuten, dass die Kapelle auch bereits ein Holzbau war, denn hätte es sich um einen Steinbau gehandelt, so wären diese Steine sicher anderweitig wieder als Baumaterial verwendet worden.
 
Die einzigen Mitteilungen, die wir über die erste Rachelshäuser Kapelle haben, sind indirekter Art. In dem Sal-Buch des Johann Conrad Stark, Diakon zu Gladenbach, aus dem Jahre 1737 kommt dieser auch auf die Rachelshäuser Kapelle zu sprechen. In diesem Buch, in dem Rechte und Pflichten des Diakons aufgelistet sind, lesen wir im § IV unter der markig-barocken Überschrift "Von Leichen" einiges über die Begräbnissitten im Bereich der Gladenbacher Martinskirche. Die Toten wurden damals nicht an ihrem Heimatort beerdigt, sondern mussten nach Gladenbach gebracht werden, dort wurden sie auf dem Kirchhof der Martinskirche begraben. Diese Regelung galt übrigens bis zum Jahr 1810, erst dann wurden für die einzelnen Gemeinden Friedhöfe eingerichtet. Diese Verpflichtung galt auch für die Rachelshäuser. Auch sie mussten ihre Toten auf dem „Totenweg", dem alten Gladenbacher Weg, zum Kirchhof der Gladenbacher Kirche bringen. Allerdings hatten die Vorfahren — mit anderen — ein bestimmtes Privileg, von dem Johann Conrad Stark schreibt: „Die Toten von Mornsshausen jung und alt werden alle miteinander nach Gladenbach auf den Gottesacker gebracht ingleichen von Ammenhausen und Kehlnbach.... Haben folgende Dorfschaften, Erdhausen, Rachelshausen, Bellnhausen, Sinkershausen, Frohnhausen, Friebertshausen und Rüchenbach ihre Kirchhöfe, aber nur allein für die kleinen Kinder."

Nach dieser Beschreibung des Privilegs einiger Gemeinden, die verstorbenen Kinder auf dem Kirchhof zu beerdigen, kommt J. C. Stark auf die Zustände aus der früheren Zeit zu sprechen: „Vor diesem [sc. dieser Regelung] wurden die kleinen Kinder in die Kapellen begraben; dieses wurde nachgehends zum Mißbrauch, daß auch die Pfarrer Kinder von einem Jahr ja endlich gar die Schüler, ohn sie confirmiret worden dahin begruben ... ". So wurde angeordnet, „ ... bey jeder Capelle einen Kirchhof zum Begräbnis der kleinen Kinder [zu] machen, damit die Capellen keinen Schaden nehmen möchten." Außerdem wurde festgelegt...... daß die kleinen Kinder biss in das fünfte Jahr inclusive, auf.. . Kirchhöfe sollten begraben werden, diejenigen Kinder aber, welche das fünfte Jahr zurückgeleget, nach Gladenbach auf den Kirchhof gebracht werden solten."⁷
Wenn man bedenkt, wie hoch in dieser Zeit die Kindersterblichkeit war, wie wenige Kinder wirklich das Erwachsenenalter erreichten, so wird zweierlei ganz deutlich: Erstens, dass es ein wichtiges Zugeständnis Gladenbachs war, wenn die Rachelshäuser das Recht hatten, verstorbene Kinder bei der eigenen Kapelle zu begraben. Zweitens, dass es unbedingt nötig war, eindeutig zu regeln, bis zu welchem Alter man von ,Kindern' sprach und wo die Beerdigungen vorzunehmen waren.

Wollen wir diese interessanten Informationen des J. C. Stark auswerten für die Frage nach dem Kirchenneubau, so kann vielleicht geschlossen werden, dass im Zusammenhang der von Stark erwähnten neuen Beerdigungsregelungen die alte Kapelle abgerissen wurde und eine neue an anderer Stelle errichtet wurde. Dies wird als Grund für einen Kirchenneubau umso wahrscheinlicher, als für den gesamten Zeitraum des dreißigjährigen Krieges für Rachelshausen keine Zerstörungen oder Kriegshandlungen bekannt sind, denen die alte Kapelle hätte zum Opfer fallen können. Wenden wir uns nun aber von der ,grauen Vorzeit' und den Vermutungen über diese Zelt wieder der klareren und besser belegten Geschichte unserer heutigen Kirche zu.

Die drei großen Renovierungsphasen

Lange bevor es Mode wurde, sich für Fachwerk und insbesondere für Fachwerkkirchen zu interessieren, lange bevor es Mode wurde, diese Fachwerkkirchen in ,Museumsdörfer' zu verschleppen, lange bevor es Mode wurde, alte Kirchen wie mumifizierte Museumsstücke zu behandeln, die eigentlich nicht mehr in unsere Zeit gehören, lange bevor all das geschah, nämlich Anfang der vierziger Jahre, machten sich die Rachelshäuser daran, ihre alte Kirche wieder von Grund auf in Ordnung zu bringen. Die Kirche war in einem schlechten Zustand und allen war klar: Wenn jetzt nicht bald etwas geschieht, dann ist die Kapelle nicht mehr zu retten. Das Fachwerk war - wie damals üblich —verputzt, und der Putz löste sich in grossen Flächen vom Untergrund, das Schieferdach war dringend reparaturbedürftig und auch die Holzkonstruktion war zu überprüfen. Außerdem stand auch im Innenraum nicht alles zum Besten, besonders was den Boden und das Gestühl betraf. Aber unter der umsichtigen und tatkräftigen Führung von Bürgermeister Jakob Klingelhöfer und dem Lehrer und späteren Schulrat Erich Link konnte dieses für die kleine Gemeinde sehr umfangreiche Renovierungsprogramm, das man fast ein Rekonstruktionsprogramm nennen könnte, verwirklicht werden. Das Ergebnis der Renovierung ist in groben Zügen das Bild der Kirche, wie wir es heute kennen. Man entschied sich gegen das Verputzen des Gebäudes, sondern liess das reich verzierte Fachwerk sichtbar, lediglich die Westseite wurde zum Wetterschutz verschiefert. Viele Teile des Fachwerks und des Dachstuhles wurden erneuert, der ‚Dachreiter' wurde neu gezimmert. Turm und Dach wurden neu verschiefert, wobei die beiden Dachgauben in dem neuen Dach jedoch weggelassen wurden. Außerdem bekam der neue Turm auch eine neue Spitze, wobei, wie die Leute erzählen, in der Grundkugel der Spitze von Lehrer Link verschiedene Unterlagen betreffs der Kirchenrenovierung verschlossen wurden. Schliesslich erhielten auch die Fenster den Platz und das Format, das wir heute kennen.
Aber auch im Inneren des Gebäudes wurde nicht wenig verändert Auch hier wurde der Kapelle bei dieser Renovierung das Gesicht gegeben, das uns heute selbstverständlich ist Während früher eine offene Treppe direkt von der Tür auf die Empore führte, wurde nun eine geschlossene Treppe gebaut, die vom hinteren Kirchenraum her zu begehen war. Das Gestühl wurde in einem Block angeordnet und auf einem Dielenboden angebracht, während es vor der Renovierung zwei Gestühlgruppen gab, die durch einen Mittelgang getrennt waren und direkt auf dem Sandsteinboden standen. Zum Abschluss sei noch vermerkt, dass auch der Eingangsbereich erneuert wurde. Die vorher zweiteilige Tür wurde durch eine etwas schmalere einteilige Tür ersetzt, und die ursprünglich aus Sandstein gefertigte Außentreppe wurde durch Diabasstufen aus dem hiesigen Steinbruch ersetzt Diese unscheinbare Veränderung des Eingangsbereiches wird uns noch beschäftigen, wenn wir nach dem Alter der Rachelshäuser Kirche fragen.

Gemessen an dieser großen Renovierung waren die weiteren Renovierungen, von denen zu berichten ist, weniger umfangreich.
Die zweite Renovierung im Jahre 1963, die unter der Leitung von Bürgermeister Heinrich Pfeiffer durchgeführt wurde, war in erster Linie auf Innenarbeiten konzentriert So wurden unter der Aufsicht des damaligen Landeskonservators Feldkeller die Balken des Innenraumes mit der farblichen Imitation von russischem Malachit versehen, womit man versuchte, dem Zustand nahezukommen, den die Balken vielleicht einmal in der Zeit des Barock hatten. Weiter wurden während dieser Renovierung auch ein neuer Altar und eine neue Kanzel passend zum farblichen Eindruck des Raumes angeschafft. Auch hier findet sich die das Holz gestaltende Malachitimitation. Auch das Kruzifix, das 1965 von der Künstlerin Elfriede Bedbur geschaffen wurde, kann dieser Renovierungsphase zugeordnet werden. Dieses Kruzifix wurde übrigens aus einem Eiche-Balken geschnitzt, der bereits als Schwellen-Balken des Hofes Klingelhöfer Verwendung gefunden hatte. Dieser stammt von einer Eiche, die 1857 im Rachelshäuser Forst geschlagen worden war. Schließlich soll nicht vergessen werden, dass mit der zweiten Renovierungsphase auch der technische Fortschritt seinen Einzug hielt. Eine Bankheizung, verbunden mit einem teilweise neuen Gestühl, wurde eingebaut, und für die Glocke wurde ein elektrisches Läutewerk installiert.

Die dritte Renovierungsphase erfolgte in zwei Abschnitten in den Jahren 1978 und 1981/82. 1978 wurde vor allem das Äußere der Kirche liebevoll und fachmännisch hergerichtet. Der Putz wurde—wo nötig —ausgebessert und der Dachstuhl durch einen zusätzlichen Querbalken stabilisiert. 1981/ 82 wurde dann das Innere der Kirche neu gestrichen, wobei die ehemals unsichtbar gemachten, Decke und Empore tragenden Balken wieder optisch hervorgehoben wurden.

Wie alt ist die Kirche?

Befragt man die Literatur nach dem Alter der Rachelshäuser Kirche, so wird gewöhnlich das Jahr 1680 als Entstehungsjahr genannte.⁸ Allerdings stellt sich schnell.heraus, dass es sich hierbei um eine Datierungsvermutung handelt, die sich auf baugeschichtliche Vergleiche mit anderen Kirchen gründet. Urkundlich ist dieses Entstehungsdatum hingegen nicht gesichert. Das wichtigste baugeschichtliche Argument ist bei dieser Datierung der Hinweis auf die reiche Verzierung des zweiten Fachwerkgeschosses, das eine vorbarocke Datierung auszuschließen scheint Demgegenüber erinnern sich Rachelshäuser Bürger jedoch genau daran, dass bei der ersten Renovierung Anfang der vierziger Jahre der Eichensturz über der Eingangstür die eingeschnitzte Jahreszahl 1617 trug. Dieser Sturz wurde bei der Renovierung ausgewechselt, da eine kleinere, einteilige Tür eingebaut werden sollte (vgl. oben). Leider ist dieser alte Türsturz während der Renovierungsarbeiten verlorengegangen.
Wie alt ist also nun die Rachelshäuser Kirche? Stammt sie aus dem Jahre 1680, wofür das Barockfachwerk sprechen würde, oder stammt sie aus dem Jahre 1617, wofür der ursprüngliche Türsturz über dem Eingang der Kapelle sprechen würde?

Zu dem Zeitraum, der hierzu Debatte steht, kam es nicht selten vor, dass ganze Fachwerkhäuser an einem Ort abgeschlagen und an einem anderen Ort wiederaufgebaut wurden. Ebenso war es durchaus nicht außergewöhnlich, dass einem fertigen Fachwerkhaus weitere Teile zugefügt wurden oder gar ein ganzes Geschoss aufgestockt wurde. Eine auf den ersten Blick abenteuerliche Vermutung könnte — wenn wir die oben geschilderte Praxis bedenken — dann unsere beiden Datierungen der Kirche zusammenbringen: Könnte diese Praxis nicht auch bei der Rachelshäuser Kirche wirksam gewesen sein? Die Rachelshäuser Kirche wäre dann ursprünglich ein schlichter eingeschossiger Fachwerkbau gewesen. Sie wäre auf das Jahr 1617 zu datieren, also das Jahr, das in dem verlorenen Türsturz verzeichnet war. Erst lange Zeit später, vielleicht um das Jahr 1680 wäre dann dem bisher eingeschossigen Bau ein zweites Geschoss aufgesetzt worden, so dass die Kirche die heute bekannte Form bekam. Erst dieses zweite Geschoss wäre dann in Technik und Kunstfertigkeit des barocken Fachwerkbaues ausgeführt worden. Für diese Überlegung, die hier nochmals ausdrücklich als Vermutung gekennzeichnet werden soll, sprechen vor allem zwei Gründe:
1. Die Proportionen des Gebäudes scheinen bei der rekonstruierten Eingeschossigkeit besser zu stimmen als bei der Zweigeschossigkeit, die der Bau heute besitzt. Heute wirkt die Kirche, bezogen auf die kleine Grundfläche, überproportional hoch.
2. Das reich verzierte Barockfachwerk findet sich ausschließlich im Bereich des zweiten Geschosses. Nur zwei Anklänge an diese Verzierungstechnik finden sich im Giebel in den zwei geschwungenen, diagonal in den jeweiligen Außengefachen verlaufenden Auszierungen. Da diese jedoch keine statische Funktion erfüllen, könnten sie ohne weiteres bei der Vergrößerung der Kirche hinzugefügt worden sein. Wie dem auch sei, ob die Kirche „schon" von 1617 oder „erst" von 1680 ist, davon wird es nicht abhängen, ob wir auf unser Kirchlein stolz sind — das sind wir ohnehin.

Man kann nur wünschen, dass sich auch weiterhin Männer und Frauen der Gemeinde finden werden, die sich für sie einsetzen, für sie sorgen und sie pflegen - und die auch darauf bestehen, dass die Kirche nicht nur zum Museumsstück und zur Touristenattraktion wird. Man kann nur wünschen, dass es auch weiterhin Männer und Frauen in unserem Ort gibt, die dafür sorgen, dass diese Kirche auch dafür benutzt wird, wozu sie einst unsere Vorfahren gebaut haben: Nämlich für das Gebet, den Gesang, die Feier der Sakramente, die Predigt und das Lob Gottes — kurz für den Gottesdienst. So kann man nur hoffen, dass auch noch unsere Kinder und Enkel von Fremden den Satz hören: „Ach, sie kommen aus Rachelshausen, ist das nicht das Dorf mit der wunderschönen Fachwerkkirche?"⁹

Verfasst von Dr. Eberhard Stock

1 Förderkreis Alte Kirchen e.V. (Hg.): „Fachwerkkirchen In Hessen", Königstein 1976, S. 22.
2 ebda.
3 Huth, K.: Gladenbach, eine Stadt im Wandel der Jahrhunderte", Gladenbach 1974, S, 68.
4 Dehio, G.: Handbuch deutscher Kunstdenkmäler", Hessen, neubearbeitet von Magnus Backes.
5 Huth, K., S. 25.
6 ebda.
7 Das Salbuch des Diakonats Gladenbach von 1737, S. 26 ff.
8 So z.B. Förderkreis ... und Dehio ..
9 Ich danke Herrn Robert Müller für viele Hinweise zur Geschichte der Kirchenrenovierung.

Die jüngste Renovierung seit 1991

Ein Fachwerkbau und besonders eine Fachwerkkirche, die ja nicht jeden Tag gleichmäßig genutzt wird und somit besonders im Winter erheblichen Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen ausgesetzt ist, braucht häufige Pflege. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch in unseren Tagen wieder eine Renovierung notwendig wurde, und zwar eine, die sich nicht auf Schönheitsreparaturen beschränken konnte, denn der Zahn der Zeit hatte doch recht heftig an der hübschen Kirche genagt.

Diese letzte und wohl auch umfangreichste Renovierung gliederte sich denn auch in zwei Bauabschnitte. Der erste fand im Jahre 1991 statt und galt dem Dach. Das gesamte Dach wurde neu gedeckt und die teilweise schadhafte Unterbretterung der
Schindeln erneuert. Die Arbeiten wurden von der Fa. Simon aus Herzhausen in kompetenter Manier ausgeführt, so dass dem Wasser von oben und von der Wetterseite zunächst Einhalt geboten wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Messingkugel von der Spitze des Dachreiters abgenommen und geöffnet. Dabei kamen zwei Dokumente über die Renovierung von 1939/40 zum Vorschein, unterzeichnet vom damaligen Rachelshäuser Bürgermeister Klingelhöfer (die Kirche war damals noch im Besitz der Zivilgemeinde) und von Pfr. Lott, dem Inhaber der II. Pfarrei in Gladenbach (zu welcher Rachelshausen bis 1961 gehörte). Diese Dokumente wurden wieder in der "Turmkugel" verschlossen und um ein weiteres vermehrt, das die neue Maßnahme dokumentiert, unterschrieben vom Verfasser und den damaligen Rachelshäuser Kirchenvorstehern Marie Kraus und Reinhold Jung.

Des weiteren wurde der Ursprung der Rachelshäuser Glocke von Robert Müller aufgeklärt. Sie wurde im Jahre 1805 von der Glockengießerfamilie Bernhardt aus Tiefenbach bei Leun wohl an Ort und Stelle gegossen und in die Kirche aufgehängt. Dort tut sie nun seit über 180 Jahren ihren Dienst und hat alle Stürme und kriegsbedingten Wirren und Einschmelzaktionen überstanden.

Es war aber sofort deutlich, dass es nicht bei der Dacherneuerung bleiben konnte, da das Fachwerk doch sehr starke Schäden aufwies. So wurde die Bausubstanz vom Architekturbüro Düringer & Partner aus Dillenburg, das auch die Bauleitung übernahm, untersucht und dokumentiert. In Eigenleistung der Gemeinde wurden dann die Schäden freigelegt, so dass die notwendigen, sehr komplizierten Zimmermannsarbeiten anschließend von Fa. Klingelhöfer aus Dernbach ausgeführt werden konnten. Dabei waren viele Schwierigkeiten zu überwinden: es musste altes, nur schwer beschaffbares Eichenholz verwendet werden, die Kirche musste an der Stirnwand abgestützt werden, um nicht hoffnungslos in Schieflage zu geraten und fast jeder Arbeitsschritt förderte neue Schäden zutage. So musste denn auch infolge Schädlingsbefalls die Auflage des tragenden Mittelpfeilers erneuert und an der Stirnseite auf der Empore ein Kopfband eingesetzt werden, um die Stabilität zu erhalten. Viele kleinere Stellen mussten ausgebessert und ganze Balkenzüge völlig ausgetauscht werden.

Zum weiteren war der alte Sandsteinfußboden im Altarbereich stark angegriffen und nach unten nicht isoliert, so dass er mit Genehmigung des Landesamts für Denkmalschutz entfernt wurde. Er wurde durch die von der Fa. Müller, Jung und Pfeiffer gestifteten letzten in Rachelshausen gebrochenen Diabassteine ersetzt und mit einer Fußbodenheizung und einem haltbaren Estrich versehen. Diese Arbeiten sowie das Ausmauern der Gefache besorgte Herr Dworschak aus Bellnhausen. Die Bemalung im Innenraum, besonders die Marmorierung der Pfeiler und des Mittelträgers ließ sich leider nicht vollständig retten. So wurde in Abstimmung mit dem Denkmalschutz eine möglichst nahe Farbgebung von der Fa. Kaut aus Runzhausen ausgeführt, die auch die Kirche von außen wieder im gewohnten Glanz erstrahlen ließ. Die gesamte elektrische Anlage wurde von Fa. Heck aus Sinkershausen erneuert. Die Glasfenster wurden von Herrn E.J. Klonk instandgesetzt und verstärkt. Für alle notwendigen Schreinerarbeiten, auch an Kanzel und Altar, zeichnet die Fa. Klotz aus Runzhausen verantwortlich. Vieles an Aufräumungs-, Reinigungs- und sonstigen vorbereitenden Arbeiten wurde von freiwilligen Helfern und Helferinnen aus der Gemeinde erledigt, was die immensen Kosten spürbar senken half.

Das gilt insbesondere für die neue elektronische Orgel, die beschafft wurde. Sie konnte dank der großen Spendenbereitschaft der Bevölkerung zu ca. 85% aus eben diesen Spenden bezahlt werden. An allen diesen Stellen hat auch der Kirchenvorstand, insbesondere die Rachelshäuser Kirchenvorsteher Ulrike Stock und Bernd Müller, ein hohes und bewundernswertes Maß an persönlichem Einsatz gezeigt.
So weihen wir nun nach langer Bauzeit unsere Kirche wieder ein und ich darf im Namen der Gemeinde allen herzlich danken, die durch ihr Engagement, ihre Fachkenntnis und Arbeitskraft und ihre Opferbereitschaft das Werk möglich gemacht haben, das heißt, allen beteiligten Firmen, dem Landesamt für Denkmalschutz in Person von Herrn Dr. Neumann, der Bauabteilung unserer Kirche für die großzügige Hilfe und natürlich allen Helfern/innen und Spendern/innen.

Dass es schön geworden ist, sehen wir. Dass es seinen Zweck auch weiter erfüllt, nämlich Gottes Haus und nicht nur ein schönes Baudenkmal zu sein, wir die Zukunft weisen.
 

Verfasst von Pfr. Olaf Schmidt